Der Wiener Künstler Bernard Ammerer (geb. 1978) malt Gedankenbilder und imaginierte Wirklichkeiten. Von Anfang an den klassischen Medien Öl und Leinwand verpflichtet, sieht er in der Malerei das ideale Ausdrucksmittel für seine subjektiven Wahrnehmung und Beobachtungen, die in den meisten Fällen figurativ, realistisch und konstruiert erscheinen. Erst in jüngster Zeit widmet sich Ammerer der Zeichnung – Porträts, aufgelöst in die Summe seiner Einzelteile in Form kleiner Strichmännchen.
Zwei kontinuierliche und sich gegenseitig beeinflussende Sujets in seinem Werk sind zum einen die Landschaft in all ihren Facetten und Fragmenten und Personen(-gruppen). Mitunter fügen sich Tiermotive in seine „Landschafts-Porträts“ ein („Control 4“, 170 x 180 cm, 2020) – und neben perfekt gemalten Figuren kommen immer wieder auch schablonenhafte in den „Landschafts-Bühnen“ („Viewer“, 140 x 180 cm, 2020) vor, die mit ihrer feinen Linienführung und dem darunter liegenden, flächenfüllenden Naturkolorit fast wie Platzhalter wirken – Erinnerungen der Landschaft an ihre ehemaligen Betrachter. Zugleich könnten sie Identifikationsfiguren für unsere eigenen Vorstellungen sein. Auf den ersten Blick suggerieren sie in ihrem reinen Dasein allerdings etwas Rätselhaftes, welches man ergründen möchte.
Bei diesem unklaren Zusammenspiel ist man als Betrachter versucht, Verbindungen zwischen den Figuren auszumachen, gar Beziehungen zu erkennen, während diese laufend, sitzend, springend und stehend auf und in den von Ammerer kreierten Raum-Bühnen agieren. Doch in der Regel fehlen diese.
Aus dem äußeren Bildrand in das zentrale Leinwand-Geschehen geschoben und platziert, stehen die individuellen Handlungen im Fokus: Während manche sich bewusst dem Betrachter aussetzen, indem Sie ihn direkt anblicken („Control 3“, 170 x 180 cm, 2020), wenden sich manche von ihm ab („Control 1“, 170 x 180 cm, 2020) oder kehren ihm ganz den Rücken. Überraschen mag, dass es kein offensichtliches, verständliches Narrativ gibt, obwohl man anhand der Gesten und Körper viel ablesen könnte. Dem Künstler aber geht es nicht um die Darstellung einer konkreten Geschichte oder Interaktion, sondern um das große Ganze: das Leben, die Freude, die Anspannung, der Moment, das Wahrnehmen, das Tun um des Tuns wegen und der Zusammenhang zwischen sichtbarem Raum und feinstofflicher Metaebene. Als Betrachter taucht man direkt ein in diese sympathetische Beziehung zwischen Figur und Landschaft.
Im Malprozess überlässt Bernard Ammerer wenig dem Zufall. Der Künstler collagiert und setzt bewusst, analytisch und konkret, die Komposition für die mittelgroßen bis großen Leinwände fest. Assoziative Eingriffe ergänzen diesen Vorgang, während Gedankenskizzen – „Bild-Ideen im Kopf“ – dem Ganzen vorausgehen. Der meist großflächig eingesetzte Weißraum, zum Teil durchschnitten von Geometrie und Linien, gibt den Geschehnissen wiederum etwas Erratisches. Ein kompositorisches Spannungsverhältnis, das die Kunst Ammerers ausmacht.
Im ersten Moment wirken seine Landschaften auratisch, sphärisch, manchmal plakativ und erinnern an die Dramatik W. Turners oder die Romantik C. D. Friedrichs. Formale Ähnlichkeiten unterliegen indessen den inhaltlichen: Für Ammerer steht die Verbundenheit von Existenzen im Vordergrund. Um Schöndarstellung, Aneignung und Kontrolle geht es ihm nicht, genauso wenig wie um eine rein realistische Landschaftsmalerei. Für den Künstler ist die Natur die Hauptbühne („Maltatal 4“, 50 x 60 cm, 2021) und das Sinnbild universellen Daseins.
Die lasierend, mit sichtbaren Pinselstrichen gemalten Räume und Landschaften entstehen in der Regel nach realen, selbst fotografierten Aufnahmen im Atelier. Schlussendlich referenziert das Gemalte aber stärker auf die subjektiven Eindrücke des Künstlers als auf die originalgetreue Wiedergabe der Topografie. Besonders die Wolken-Gemälde („Tauern“, 50 x 70 cm, 2020) stehen dabei im direkten Bezug zum Motiv der Veränderung, ein zentrales Thema des Künstlers.
Ausstellungen von Bernard Ammerer spiegeln stets ein Momentum seiner künstlerischen Auseinandersetzungen wider. Mit dem Titel „Like Me“ spielt der Künstler diesmal mit dem Satzakzent und den daraus resultierenden Bedeutungen: „Like ME“ lenkt die Aufmerksamkeit auf Ähnlichkeiten, gemäß dem Sinn: "Du bist wie ich, dir geht es wie mir. Wir sind uns ähnlich.“ „LIKE me“ dafür betont die Suche nach Liebe und den Wunsch nach Verbundenheit. Ammerer weißt zum einen auf sprachlich-interpretatorische Unterschiede hin, und gleichzeitig auf eine wesentliche Gemeinsamkeit: Die Sehnsucht nach (Ver-)Bindung, ein (menschliches) Grundbedürfnis.
Bernard Ammerers „Landschafts-Porträts“ eröffnen Gedankenräume für Existenzwahrnehmungen und Weltwahrnehmungen und thematisieren subtil und sensibel den Wunsch nach einer authentischen Verbundenheit, nach Perspektive und Wahrhaftigkeit.
Elisabeth Klokar
Kunsthistorikerin, freie Journalistin, Autorin
Der Künstler hat sich der figurativen Malerei und einem malerischen Realismus verpflichtet und zeigt in seinen Bildern entscheidende Momente, Situationen auf der Kippe, Körper an der äußersten Belastungsgrenze, Szenen aus dem Alltag der Jugendkultur. Das Bildgeschehen lässt sich nicht zur Gänze erfassen, die Protagonist:innen in Ammerers Bildern treten mit dem Betrachter in Verbindung, als würden sie dazu auffordern, die Situation weiterzudenken.